Schneewittchen im Dschungel

In der fünften Staffel des Dschungelcamps finden sich wieder allerhand gescheiterte Existenzen, aka B-Promis, im australischen Dschungel ein. Dass RTL bestimmte Rollen besetzt und inszeniert, ist kein Geheimnis. Was aber passiert, wenn selbst der Zuschauer bemerkt, dass diese Inszenierung von der Realität abweicht? 

Weißes Leinenhemd, silber-schimmernde Lockenpracht und bedächtiger Blick. So wird Rainer Langhans auf Werbefotos der fünften Staffel von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ gezeigt. Man kann von einer Guru-haften Inszenierung Langhans’ sprechen. Als „68er-Ikone“ betitelt RTL ihn in Ankündigungen.

Rainer Langhans als 68er-Ikone / Credit: RTL

Rainer Langhans als 68er-Ikone / Credit: RTL

Langhans’ Potential als Alt-Hippie ist gegeben

Die Chancen stehen gut. Rainer Langhans gilt als Hippie, Kommunarde und ehemaliger Weggefährte Uschi Obermaiers. Zwei Jahre bei der Bundeswehr. Im Anschluss ein Jurastudium in Berlin. Schließlich die Gründung der sagenumwobenen Berliner Kommune 1. Als Anhänger der Studentenbewegung beteiligte Langhans sich ebenso an linken politischen Aktionen: Nicht zu vergessen sei dabei das Pudding-Attentat als Protest gegen den Vietnam-Krieg. Ein vereitelter Versuch, den ehemaligen US-Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey während seines Aufenthalts in Berlin mit Pudding abzuwerfen.

Später wendet er sich von solch’ politisch-gefärbten Aktionen ab. Er lernt Uschi Obermaier kennen, zieht mit ihr nach München und gründet die Kommune. Fortan gilt er als Verfechter der freien Liebe. Es beginnt die Suche nach sich selbst; indischer Guru inklusive. Heute lebt er von einer vermuteten 200€ Rente zusammen mit mehreren Frauen, dem sogenannten Harem, in München.

RTL inszeniert Langhans als Alt-Hippie

Das Rollenbild des Alt-Hippies ist vorhanden, Unterhaltungspotenzial gegeben. Wie weit diese Inszenierungsstragie RTLs von der Figur Rainer Langhans’ entfernt ist, wird dem Zuschauer spätestens in der zweiten Folge klar. Während der Sender sich einen 68er par excellence wünscht, ist Rainer einfach nur … hmm … jaa … langweilig.

„Da denkt man einfach der ist jetzt tot“, kommentierte Dirk Bach diabolisch. Zu sehen ist der damals 70-Jährige auf seinem Feldbett. Auf dem Rücken-liegend, schlafend und mit überkreuzten Händen. Und auch sonst gehen die Kommentare des Moderatoren-Duos weit unter die Gürtellinie. Da wird von „Geriatrie-Sex“ gesprochen. Oder szenenhaft seine Freizügigkeit hervorgehoben. Kommentiert von Sonja Zietlow, die sich angeekelt die Augen zuhält. Wie sollte es anders sein? Gerade diese Szenenauswahl hebt die vom Sender gewünschte Rolle eines alternden Kommunarden hervor.

Rainer Langhans schlafend auf seinem Feldbett / Credit: RTL

Rainer Langhans schlafend auf seinem Feldbett / Credit: RTL

Dschungelprüfung enttarnt Langhans als Schneewittchen im Glassarg

Die Dschungelprüfung wird zum Ort der Wahrheit, tritt der Kandidat in hier wohl am unverfälschtesten auf. Weder gekonnt eingesetzte Schnitte und Kameraperspektiven, noch die bewusste Auswahl der prekärsten Szenen entfalten hier ihre Wirkung. Stattdessen wird die die zumeist ekel-erregende, abstoßende Aufgabe, die der Kandidat zu bewältigen hat, in Echtzeit gezeigt. Inszenierung Fehlanzeige. Das Resultat: Die nüchterne, ja fast einschläfernde Art Rainer Langhans’, die auch RTL nicht zu übermalen vermag, kommt zum Vorschein. Aufregender 68er Alt-Hippie adé.

Zur Prüfung: Der Kandidat hat sich in einen hölzernen Sarg zu legen. Im Anschluss werden etwa 30.000 Kakerlaken hinzugegeben. Für jede Minute, die er im Sarg verbleibt, gibt es einen Stern. Was am Anfang nicht klar ist: Nach wenigen Minuten wird der Sarg in an einem Stahlseil die Luft gehoben, bis er sich über dem Dschungelsee wiederfindet und die hölzerne Hülle abfällt. Zurück bleibt ein Plexiglas-Sarg.

Nach anfänglicher Debatte meditiert sich Rainer seelenruhig durch die Prüfung. Ohne jegliche Regung von sich zu geben. Die ständigen Fragen Zietlows und Bachs sind die einzigen Geräusche. Zunächst hat der Vollblut-Veganer Angst um die Kakerlaken; von Tierquälerei distanziert er sich konsequent. Eine entsprechende Klausel ist bereits in seinem Vertrag festgehalten; er werde als einziger Kandidat kein Fleisch essen. Auch seine Boots sind vegan – die Standard-Lederstiefel lehnte er ab. Nach vehementer Versicherung Dr. Bobs, dass die Kakerlaken nicht zu Schaden kommen würden („sie überleben sogar eine Atombombe“), stellt sich Rainer der Aufgabe. Von Ekel keine Spur. Immer wieder ist von „Schneewittchen und dem Glassarg“ die Rede. Eine treffendere Metapher ist kaum zu finden. Schnarch.

Schneewittchen und der Glassarg aka Rainer Langhans während der Dschungelprüfung / Credit: RTL

Schneewittchen und der Glassarg aka Rainer Langhans während der Dschungelprüfung / Credit: RTL

Langhans enttäuscht die Erwartungen. Und muss gehen

Auch im weiteren Verlauf der Sendung bleibt Langhans hinter den Erwartungen zurück. Um zu testen, wie es sich mit einem „sehr reduzierten Körper“ lebt, hungerte und lungerte er im Laufe der Sendung meist auf seinem Feldbett herum. Wenn er nicht gerade philosophisch angehauchte Kommentare von sich gab. So ist es auch kaum verwunderlich, dass Rainer Langhans als vierter Kandidat am 25. Januar aus dem Camp gewählt wird. Vielleicht hat ihm das Dschungelcamp aber trotzdem genau das ermöglicht, was er sich erhoffte: ein Sozialexperiment, durch das er in der „Urszene der Kommune“ (aka dem Dschungelcamp) lebt.

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