Ein Jahr lang tingelte Philipp Hartmann auf seiner Kinotour mit Kamera und viel Humor im Gepäck durch 66 Kinos. Heraus kam eine Hymne auf die Leidenschaft fürs Kino und auf alle, die dieses Gefühl kennen.
Im Metropolis Kino in Hamburg ein Special über das Metropolis Kino in Hamburg betrachten? Sich vom Sofa aufraffen und ins Kino gehen, um Kinos zu sehen, die man wohl nie sehen wird? Was zunächst nicht besonders aufregend erscheint, entpuppt sich als eine angenehme Reise durch unbekanntere Gefilde der deutschen Kinolandschaft.
66 Kinos (2016) entstand anlässlich Philipp Hartmanns Kinotour zu seinem Essayfilm „Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“. In 98 Minuten nimmt er uns mit auf eine Reise durch die verschiedensten Kinos. Der Film zeigt uns nie gesehene Highlights, wie den kleinsten Kinosaal Baden-Württembergs: Seine 18 Sitzplätze, bestehend aus Omas altem Sofa, das mit mit Ikea Kissen aufgewertet wurde, stehen im starken Kontrast zu dem strahlenden Cineplex-Charme, der sich uns in Paderborn präsentiert. Man sieht Kinos, so divers und facettenreich wie ihre Betreiber. Und diese sind es, die eigentlich im Fokus stehen: Die Menschen hinter dem Kino.
Diejenigen, die sonst anderen eine Plattform geben, bekommen nun selbst eine Stimme und sprechen über sich, über ihr Selbstverständnis als Retter des Kinos, als Kulturpessimisten, als selbsternanntes autonomes Kollektiv aus Einzelkämpfern. Sie erzählen bei einem Bier von einer Zeit, in der das Kino durch die Digitalisierung im Umbruch steht und 35-Millimeter-Projektoren oft schweren Mutes durch Festplatten ersetzt werden müssen. Wahrer Notstand oder doch nur Nostalgie?
Man rutscht tiefer in den Kinositz als unverwandter Beobachter von Hartmanns odyssee-artigem Kinohopping, anschließend immer mehr hinein in eine Narration über ein „Labour of Love“. Plötzlich fühlt man sich im Dialog mit den Kinobetreibern und ihren Eigenarten, ob akribisches Münzensortieren an der Kasse oder das heimliche Umschneiden von alten Hollywoodklassikern. Spätestens, als das Hamburger Metropolis selbst auf der Leinwand erscheint, merkt man, wie nah man sich den Fremden auf der Leinwand fühlt. Dabei ist die Aufmachung des Films, mit der dilettantisch wirkenden Handkamera und einem leichten Schulprojekt-Charakter, nicht hinderlich. Im Gegenteil: Am Ende hat man das Gefühl, sich mit dem Regisseur ein Stück weit angefreundet zu haben – und erträgt auch die anschließenden 20 Minuten „Diskussion“, nach denen man sich dann doch freut, erst einmal keinen Kinosaal mehr sehen zu müssen.
Ein Film wie ein Abend in der Kneipe: ein paar verwischte Erinnerungen an gute Gespräche und die Gesellschaft von Menschen, die mal hoch hinauswollten und dann irgendwie hängen geblieben sind, in diesem Fall halt im Kino. Ein Film, von dem man nicht weiß, was man davon mitnehmen soll. Ein Film, der trotzdem sympathisch ist und „ästhetisch ganz weit vorn“. 66 Kinos, die wohl alle einen Besuch wert wären. Vielleicht zu Hartmanns nächstem Film.
Philipp Hartmann (zweiter von links) im Gespräch über seinen Film „66 Kinos“ im Metropolis Kino Hamburg