Neuer Look und Psychotherapie in einem Paket

Heutzutage geht alles so einfach: Möchte man kochen lernen, schaltet man den Fernseher an und schaut eine beliebige Kochshow (z. B. „Lafer! Lichter! Lecker!“). Möchte man die große Liebe finden, nimmt man an einer dafür vorgesehenen Show teil, die einem verspricht, seine Seelenverwandte zu treffen (z. B. „Der Bachelor“). Reality-Shows bieten heutzutage so viel an: Ob es um Unterhaltung geht oder ob man mit ihrer Hilfe ein lebenswichtiges Ziel erreichen will – nothing is impossible!

Ist eine Frau nicht mit ihrem Aussehen zufrieden oder hört sie ständig von Mann, Kindern, Verwandten und Nachbarn, dass sie sich schlecht anziehen würde und überhaupt vergessen hätte, was es hieße, eine Frau zu sein, gibt es heute keinen Grund mehr, sich zu grämen: Zur Hilfe kommen Makeover-Reality-Shows, von denen es mittlerweile eine schier endlose Masse gibt: „Mission Makeover“, „What not to wear?“, „Extreme Makeover“, „Style by Jury“, „How do I look?“ etc. In dieser riesigen Menge sind aber lediglich zwei mögliche Szenarien zu beobachten.

Szenario №1: Die Teilnehmerin hat keine Ahnung von Mode und fühlt sich nicht mehr attraktiv. Sie muss zudem einen harten Schicksalsschlag erlitten haben oder sich gerade mitten in einer schweren Lebenskrise befinden, von der sie immer wieder emotional berichten kann und so nicht nur sich selbst, sondern darüber hinaus auch die Moderatorin, die anderen Teilnehmer und im besten Fall sogar das Publikum zu Tränen rührt.

Szenario №2: Die Teilnehmerin ist selbstbewusst und überzeugt davon, viel Ahnung von Mode zu haben. Ihrer Meinung nach muss sie gar nicht umgestylt werden, aber da Mutter, Mann, Kinder, Nachbarn oder zufällige Fußgänger sie zu diesem Auftritt gezwungen haben, tut sie ihnen eben den Gefallen. Auch bei ihr ist aber in jedem Fall eine schwere Vergangenheit oder eine problembehaftete Gegenwart wünschenswert.

Denn es geht hier nicht nur ums Aussehen – hier wird die Seele behandelt! Stylisten, die sich um den „ganz neuen Look“ kümmern, sind darüber hinaus alle Psychologen und Psychotherapeuten. Dass sie das entsprechende Studium nicht absolviert haben, spielt da keine Rolle. Man braucht keinen Studienabschluss um zu wissen, dass der Grund für alles, was man heute im Leben erleidet, in der Kindheit gesucht werden muss. Du weißt nicht, wie du dich gut kleidest? Mangel an Mutterliebe! Du ziehst dich zu liederlich an? Mangel an Vaterliebe! Ganz klar, ganz einfach.

Nach den herzerwärmenden Gesprächen mit dem Moderator / Stylist / Psychologen / Psychotherapeut in einer Person geht es der Teilnehmerin gleich viel besser, sie ist innerlich geheilt und nun bereit für das Umstyling, damit ihre geheiltes Inneres auch mit ihrem Äußeren in Einklang gebracht werden kann. Tolle Klamotten, wunderbares Make-up, neue schöne Frisur: Die Teilnehmerin betrachtet sich erstaunt im Spiegel, erkennt sich selbst nicht wieder, verspricht, dass sie ab jetzt immer so aussehen wird. Mann, Kinder Verwandte und Nachbarn sind ebenso erstaunt und überzeugt davon, nicht nur den äußeren, sondern auch den inneren Wandel ganz deutlich sehen zu können. Alle sind glücklich. Neuer Look, neues Leben.

                   

Foto: Everett                                                                                               Foto: CinemaBlend

Die Zuschauer haben natürlich keinen Zweifel daran, dass Kindertraumata die Teilnehmerin jetzt nicht mehr belasten und dass sie von nun an jeden Tag ebenso wunderschön aussehen wird, wie jetzt, direkt nach dem Umstyling. Alles ist möglich, wenn Profis das Ruder führen. Oder eben Schein-Profis, hinter denen ein ganzes Team steht, das hinter den Kulissen die Arbeit für sie ausgezeichnet erledigt, damit aber im Schatten bleibt.

Unterhaltung, nützliche Tipps – mehr wünscht man sich eigentlich von Makeover-Reality-Shows nicht. Aber denkt bitte nicht, dass nun jeder, der Tausende Tutorials auf YouTube geschaut hat und Modemagazine als Bibel in seinem Nachttisch aufbewahrt, so eine Show moderieren könnte. Man muss doch fähig sein, das Innere heilen zu können und nur dann das Äußere zu ändern. Nun ob das Ganze lediglich inszeniert wird, soll der Zuschauer für sich selbst entscheiden.

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