Langhans im Dschungelcamp: Zwischen Spiri-Guru und Walking Dead

Was passiert, wenn Sender und Showteilnehmer völlig verschiedene Vorstellungen von dessen Rolle haben? Rainer Langhans floh im Dschungelcamp (2011) vor der Rolle des Hippie-Opas und manövrierte sich in eine andere hinein, die nicht unbedingt besser war.

Foto: Rtl.de

Wer wissen will, welche Rolle RTL einem Dschungelcamper zugedacht hat, braucht nur das Intro genauer anzusehen, in welchem die Kandidaten der Reihe nach vorgestellt werden. Klischeehaft und überspitzt zeigen sie sich dort plakativ in der erhofften Rolle.

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Nathalie Volk, Teilnehmerin der zehnten Staffel (2016) und ehemalige GNTM-Kandidatin, wusste das genau und weigerte sich beim Dreh des Intros, einen Spiegel in der Hand zu halten. Sie sollte sich darin eitel (typisch Modetussi!) betrachten. Den gewünschten Vorspann bekam RTL bei Nathalie nicht, veröffentlichte als kleine Rache für ihren Eigenwillen aber ebendiese Geschichte, um sie doch noch irgendwie als zickig und eingebildet präsentieren zu können. Eine Rolle, der Nathalie auch im Sendungsverlauf so gar nicht gerecht wurde, weshalb sie – statt dramatische Modezicke eher das stille Schneewittchen – früh gehen musste.

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Auch Rainer Langhans, Teilnehmer der fünften Staffel, ist ein gutes Beispiel für die Differenz zwischen vom Sender gewünschter und eigens erdachter Rolle – und der Figur, die letztendlich aus den Versuchen beider Seiten entsteht. Im Vorspann wird Langhans in weißem Anzug und mit seinem graugelockten Rauschehaar gezeigt. Er sitzt im Schneidersitz auf der Promi-Limousine und gold-roten, indisch anmutenden Meditationskissen. Gibt man bei Google Bilder das Wort „Guru“ ein, kommt ziemlich genau dieser Anblick heraus. Je nachdem, wie gut man Langhans kennt, weiß man schon jetzt: es geht bei ihm in Richtung alternatives Denken, 68er und Spiritualität. Seine Person eignet sich prima, um den Camp-Hippie zu bedienen. Dieses Profil verstärkt sich im Vorspann durch das so ganz andere Auftreten der weiteren Teilnehmer. Indira gebärdet sich im knappen Outfit als wildes Kätzchen, Eva spielt im Rüschenkleid und mit Pudel die verrückte ältere Dame und Mathieu Carriere wird mit nacktem Oberkörper und Liane zum Camp-Tarzan.

Toter im Dschungel, Klappe, die erste

In der zweiten Folge ist Langhans besonders präsent, weil er zur Dschungelprüfung muss. Er bringt die Produktion sicher zum Verzweifeln, weil er sich so gar nicht wie der typische Hippie-Opa verhält. Geschickt wird anfangs auf das hingearbeitet, was ihn in der Prüfung erwartet. Man zeigt Langhans schlafend, während die anderen Kandidaten über ihn und sein seelenruhiges Daliegen debattieren. Ist ja auch wirklich gruselig, fast, als wäre er tot. Und produktionstechnisch irgendwie ärgerlich, weil er keine Action liefert.

Später sitzt Langhans mit den anderen am Feuer und berichtet aus seiner Zeit in der Kommune I. Durchaus spannende Dinge hätte er zu berichten, die den Klischeevorstellungen widersprechen. So deutet er an, dass Sex, Drugs and Rock ’n Roll gar nicht im Vordergrund standen. Oder dass er vom Prinzip des Drogenrauschs ein ganz anderes Verständnis hat, als der moralapostolische Mathieu Carriere. Hier zeigt sich, wie Langhans sich selbst gern darstellen möchte: als andersdenkend, aber eben mit Fundament. Er ist nicht nur irgendein Wallawallatyp mit Rauschebart, der zu viel gekifft hat. Blöd nur, dass in diesen Momenten ein Cut die Sätze beendet, wodurch seine Ausführungen inhaltlich unvollständig und ein wenig schleierhaft wirken. Typisch Hippie eben – der Punkt geht an RTL.

Daran knüpfen die Moderatoren Zietlow und Bach vor seiner Dschungelprüfung an und ziehen nochmal darüber her, dass Langhans Veganer ist. Ob er wohl noch Sex haben kann, bei seiner Abneigung gegen Fleisch? Diese Bemerkung ist noch eine der harmloseren. Danach wird noch ein bisschen unflätig auf seinem Alter herumgehackt – er sei ja eigentlich schon fast tot. Das bleibt angesichts seiner bedächtigen Art nämlich der einzige wunde Punkt. Und den muss man ausschlachten.

Toter im Dschungel, die zweite

So auch bei der Dschungelprüfung, in der Langhans in einem Sarg mit Kakerlaken kuscheln muss. Natürlich hat er sich vorher vergewissert, dass die Tiere dabei nicht zu Schaden kommen und sich dabei einmal mehr als der tiefgründige und bedächtige Veganer präsentiert. Wie zu Beginn der Sendung liegt er während der Prüfung ruhig mit geschlossenen Augen da. Zu langweilig für RTL. Aber selbst hoffnungsvolle Nachfragen der Zietlow („Sind schon Kakerlaken an Stellen, wo sie nicht sein sollen?“) bringen nichts, ein kurzes „Nö“ von Langhans beendet das Thema.

Foto: rainerlanghans.de

Also muss wieder die Verbindung zwischen Langhans‘ Alter und dem Tod her. Der Sarg als ‚Prüfungsort‘ ist sicherlich mit Bedacht gewählt und so schwebt dieser dann auch von intensiver Choralmusik begleitet durch den Dschungel. Langhans liegt darin wie aufgebahrt, die Hände über dem Bauch gefaltet. Besonders gruselig sieht das aus, wenn mit Nachtlichtkamera in den dunklen Sarg hineingeblickt wird. Dann ist er wirklich ein wandelnder Toter. Die Moderatoren versuchen wieder krampfhaft einen Altersspruch: „Ein sehr, sehr, sehr, sehr altes Schneewittchen“, als die Ummantelung des Sarges abfällt und dieser gläsern wird. Langhans ist das egal, er meditiert vor sich hin. Nur knapp drei der elf Minuten Prüfungszeit werden dementsprechend gezeigt. Ist ja nicht viel passiert. Später werden dann noch Bilder von ihm beim Nacktbaden und in ausgeleierter, rosa Unterhose gezeigt (mit fiesen Kommentaren natürlich), um das Bild des verrückten Alten zu stärken. Mehr kann RTL da dann nicht mehr rausholen.

Nochmal zusammengefasst: Der Sender wollte einen Hippie-Langhans, er sich selbst als ein moralisch-tiefgründigen Andersdenkenden präsentieren. Und eventuell ein bisschen Geld im Dschungel verdienen, weil er angeblich verschuldet war. Richtiges Story-Potenzial lieferte er dabei nicht. Also musste die Produktion sich was einfallen lassen und hob seine einzige Schwachstelle hervor: das Alter. Gerne auch mal eklig (als Leiche) oder respektlos (nackt oder in rosafarbener Unterhose).
Wenn Langhans das später ansieht, ärgert er sich vielleicht ein bisschen. Und schreibt dann ein Buch, in dem er das Ganze richtigstellt. Oder er bleibt seelenruhig, wie in der Kakerlaken-Prüfung, und benutzt seinen Lieblingstrick: „Ich versuche einfach, mich vom Körper zurückzuziehen!“

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