Ein Programmkino, das kein Kinosterben, sondern blühenden Betrieb kennt: Die Volksdorfer haben „ihre Koralle“ vor 15 Jahren in einer beispiellosen Aktion gerettet, umsorgen sie bis heute liebevoll – und haben in den Sälen ihre Lieblings-Kinosessel.
Koralle. In Hamburg-Volksdorf ein absoluter Inbegriff von Kino. Korallenblau – die Außenfassade und die Sessel in Saal 2 des Kinos, die noch vom vorigen Standort stammen und ebenso wie die Koralle selbst fast nicht überlebt hätten.
Vor über 60 Jahren wird das Kino eröffnet, bringt mehrere Besitzerwechsel hinter sich, ist beliebt, geschätzt und gut besucht – ein Haupt-Treffpunkt im Ort. Dann der Schock: 1999 wird der Mietvertrag gekündigt, weil der Mitmieter, eine Bank, das Gebäude komplett benötigt. Für ein jahrelang gewachsenes Programmkino mit gereiften Strukturen und Standort mitten im „Dorf“ eigentlich das Aus.
Aber nicht in Volksdorf.
„Kommerz statt Kunst“ titelte eine große Hamburger Zeitung zu den Ereignissen, und da reichte es den Einwohnern. In einer beispiellosen Rettungsaktion organisierte man gut 11.000 Unterschriften, gründete einen Verein und eine Stiftung (die bis dahin schnellste Stiftungsgründung Deutschlands) und sammelte Geld: 420.000 Euro.
Das Kino war gerettet.
Betreiber Hans-Peter Jansen, der aus Leidenschaft insgesamt sieben Hamburger Kinos verwaltet, weiß: „Heute gehört das Volksdorfer Kino nach der Pro-Sitz-Auslastung zur Top 10 in Deutschland. Das liegt an der hohen Identifikation der Einwohner mit dem Kino“. Am 6. Juni 2002 eröffnete Ole von Beust persönlich die neuen Räume. Was für eine Geschichte!
Buntes Haus, preisgekröntes Programm
An ihrem jetzigen Standort, im Bürgerhaus direkt an der U-Bahn Volksdorf, schillert die Koralle also seit 15 Jahren in ihrem typischen Türkisblau weiter. Dem Kino geht es gut, die Besucher kommen regelmäßig und das Programm ist in über die Grenzen Hamburgs hinaus beliebt. Jährlich wird es von der Kulturbehörde Hamburg und vom Bundesminister für Kultur und Medien für sein Jahresfilmprogramm ausgezeichnet. Kinderfilme, Jugend-Blockbuster, Programm für Erwachsene, sowohl Mainstream- als auch Spartenkino, alles ist dabei. So steht in diesem Sommer 2017 sowohl die Ballett-Doku „Dancing Beethoven“, die sonst in kaum einem Hamburger Kino zu sehen war, als auch die überall gespielte französische Komödie „Zum Verwechseln ähnlich“ auf dem Programm. Der Koralle-Programmzettel, auf dem das alles steht, ist in Volksdorf so etwas wie die Stadtteilzeitung und gehört in jeden Haushalt.
Bunt wie das Programm ist auch das Kino von innen. Die korallenblaue Außenfarbe ist hier und da in Akzenten zu erkennen, die Wände sind rot gestrichen, so auch die Türen zu Saal 1 (140 Plätze) und Saal 2 (75 Plätze), in denen die Volksdorfer genau wissen, wo es sich am besten sitzt – und hört. Kinobesucherin Astrid (55) schätzt gerade deshalb „ihre“ Koralle: „Mit den Jahren habe ich so meine Favoriten-Sessel mit der besten Sicht und Lautstärke. Falls mal was nicht stimmt, klopfe ich einfach am Vorführraum und bitte, ob es lauter oder leiser gedreht werden kann, das klappt immer“. Für sie einer der Haupt-Vorteile gegenüber den großen Kettenkinos, wo „immer alles so schrecklich laut aufgedreht wird“.
Ein Zuhause für alle
Im zweiten Stock, wo die Säle sich befinden, leuchtet das Foyer knallorange, denn das alte Eingangsschild ist mitgewandert. Daneben steht – und findet kaum Platz in seiner Ecke – der alte, wuchtige Projektor und erinnert an die Zeiten vor der Digitalisierung. Ein Stichwort, dass andernorts Programmkinobesitzern den Angstschweiß auf die Stirn treibt, denn seither ist vieles schwieriger geworden (wachsende Konkurrenz durch Filme und illegale Streams im Internet, Umrüstungskosten, Arbeitsstellenverlust durch nicht mehr notwendige Stellen), aber die Volksdorfer sind, das merkt man bei jedem Besuch, mit ihrer Koralle so verbunden, dass sie sie hegen und pflegen wie ein geliebtes Kind und darum niemals zulassen würden, dass ihm etwas geschieht. Sogar Sitz-Patenschaften gibt es.
Nebenan ein Bistro, ein Internetcafé und der Club Riff, was sich gut miteinander verträgt und auch verbinden lässt. Erst essen, dann Kino, dann noch ein bisschen tanzen zum Beispiel. Hier ist man schließlich im Bürgerhaus, und da gibt es Platz für viele Interessen und alle Arten der Zusammenkunft. Hannah (25), ist in Volksdorf aufgewachsen und kommt auch jetzt während ihres Berufslebens, obwohl sie längst zentraler wohnt, immer mal wieder her. Sie mag die Vertrautheit und Kuschligkeit – und die Kinotickets, die hier besonders sind: „So richtig kultige Abrisszettel und keine Tickets mit Datum, wie in anderen Kinos.“
Die Koralle ist nicht nur Filmpalast sondern auch liebevoll gestaltetes und gepflegtes Zuhause und ein Hoffnungsstern am Himmel der kämpfenden Programmkinos. Eine Inspiration, die zeigt, was es wert ist, die Kinolandschaft nicht allein den großen Ketten zu überlassen.
Ganz meiner Meinung! Ich gehe super gerne in die Koralle und freue mich, dass ich nicht in die City fahren muss. Zudem gibt es dort vor dem Kino immer genügend Parkplätze. Man bekommt an der Kasse auch eine Stempelkarte, die allerdings nicht an allen Tagen gilt. Und dann freut man sich, wenn man nach 10 Kinobesuchen eine Freikarte bekommt.
Ein sehr gelungener Bericht, dem ich ganz zustimmen kann. Die Koralle ein schönes Kino, gut erreichbar, eine komfortable Größe, alles in allem gut gelungen und immer wieder ein Besuch wert.