Im Angesicht der Absurdität

Die erste Folge „Berlin ist das Paradies“ der zehnteiligen Fernsehkrimiserie „Im Angesicht des Verbrechens“ (2010) von Dominik Graf wartet mit Starbesetzung auf. Max Riemelt und Ronald Zehrfeld ermitteln im russischen Mafiamilieu. Was spannend und ein vielversprechender Serienauftakt hätte werden können, enttäuscht auf ganzer Linie.

© ORF/WDR/Julia von Vietinghoff

Im ersten Moment der Folge präsentiert sich dem Zuschauer direkt ein stümperhaft wirkendes Polizisten-Quartett, das mit Brett vor dem Kopf die falschen Türen eintritt. Während sich einem die Frage audrängt, wo Ronald Zehrfeld als Kriminalpolizist Sven Lottner bei seinem Polizeieinsatz eigentlich sein T-Shirt gelassen hat, erfährt man von einem tragischen Mord, der Hauptrolle Marek Gorsky (Max Riemelt) traumatisiert zurückließ. Sein Bruder wurde vor vielen Jahren auf offener Straße erschossen. All dies offenbart sich dem Zuschauer allein in den ersten zehn Minuten des Films. Langsam klärt sich auf, dass die komödiantisch wirkenden Charaktere ernster gemeint sind, als zunächst zu vermuten ist. Als daraufhin das erste Mal zwei ukrainische Mädchen auftauchen, die mit falschen Versprechungen nach Berlin gelockt werden, kann man sich schon denken, dass alle Stränge bei der russischen Mafia zusammenlaufen. Ein Thema, das sicherlich Potenzial für eine spannende Serie bietet.

Damit man trotzdem noch weiß, dass man über das Niveau der Sat-1-Serie K11 nicht hinauskommen wird, bedient der Filmemacher sich extradiegetisch eingespielter Krimi-Soundeffekte. Anschließend wird man über die Beziehungsunfähigkeit der hübschen Polizistin in dem Viererteam (Ulrike C. Tscharre) aufgeklärt. Direkt nach ihrem Scheidungstermin lebt sie durch einen Dreier mit ihren beiden Kollegen die verbliebene Ekstase nach einem Fallschirmabsprung aus. Das ist schließlich die Art Feminismus, den die Leute sehen wollen. Durch einen direkten Schnitt von der menage à trois zum Familienessen von Mareks jüdischer Familie wirkt die Szene dann noch abstruser.

Wenn man bis jetzt nichts verstanden hat, dann liegt das an dem katastrophalen Drehbuch. Dass sich dies nicht ändert, liegt wohl darin begründet, dass die essentiellen Dialoge alle auf Russisch oder Ukrainisch stattfinden. Schade, denn immer, wenn die relevanten Aspekte Menschenhandel und Prostitution thematisiert werden, wird das Mithalten ohne Untertitel anstrengend.

Ausgelassenheit und Melodramatik im ständigen Wechsel

Abgerundet wird das filmische Trauerspiel durch eine Montage, die sich wohl fest vorgenommen hat, das Schlechteste an diesem Film zu werden. Und dafür wird ganz tief in der antiquierten Werkzeugkiste gekramt mit unzähligen Überblendungen, wie man sie wohl lange nicht mehr gesehen hat. Dazu überzogene Parallelmontagen, noch ein Schnitt hier, ein Zoom dort, bloß nicht zu wenig Dynamik, der Zuschauer könnte einschlafen. Alle Flashbacks mit Rotstich, denn das ist ohnehin plakativer. Konstanter Spannungsaufbau, völlig grundlos, denn da, wo keine Spannung ist, sollte auch keine simuliert werden. Aber das wissen die Macher wohl nicht, denn sie haben nur eins im Kopf: ganz großes amerikanisches Kino nach Ost-Berlin bringen. Klappt nur leider nicht.

Alles in allem schürt die erste Folge der zehnteiligen Serie eher die Stigmatisierung von Osteuropäern als Kriminelle als die Lust auf mehr. Dem Film mangelt es an Subtilität, die nötig wäre, um die zugrundeliegenden Themen angemessen zu vertiefen, stattdessen bedient man sich brutal ostentativ sämtlicher Mittel, um den Zuschauer bei Laune zu halten: Sex, Drogen, Gewalt, irgendein politisch relevanter Hintergrund und endlos viele nervenaufreibende filmische Stilmittel.

Die zweite Folge sollte man sich vielleicht trotzdem ansehen. Und wenn man es nur tut, um die grauenvolle Erinnerung an die erste auszulöschen. Jeder hat eine zweite Chance verdient.

 

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