Der Whatsapp-Emoji, der fragend nach oben blickt und Zeigefinger und Daumen an sein Kinn legt, wäre Kommentar genug zur Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ (Dominik Graf, ARD, 2010). Da eine TV-Kritik aber auch Worte braucht, hier – soweit möglich – noch ein paar Details.

Foto: ORF/ARD/Julia von Vietinghoff
Max Riemelt heißt der attraktive Blonde, den man aus Die Welle (Dennis Gansel, 2008) kennt und der auch in dieser Krimireihe als junger Polizist Marek Gorsky eine tragende Rolle spielt. Das ist eigentlich alles, was nach der ersten Folge (50 Minuten) hängen bleibt.
Laut ARD sind in der zehnteiligen Produktion „zwei ehrgeizige Polizisten, zwei ukrainische Mädchen, die vom großen Glück träumen, ein junger Mann, der den Mord an seinem großen Bruder verstehen will und Berlins Russenmafia“ zu sehen. Ähnlich bruchstückhaft ist die Serie dann auch konzipiert. Dominik Graf, der als Autor bei der ZEIT mehr „Trivialitäten, Schocks und brüllendes Gelächter“ für den deutschen Film gefordert hat, schmeißt schon in der ersten Folge experimentell alles zusammen, was diesen Appell erfüllen könnte. Ein hohes Erzähltempo, gefühlt 27 verschiedene Handlungsstränge, ständige Rückblenden und unendlich währende Dialoge in Fremdsprachen, bei denen der Inhalt auf der Strecke bleibt.
Die Hauptansicht bilden muskulöse Russen, die offenbar dubiose Geschäfte mit asiatischen Männern und Tabak machen, sich gegenseitig blutig schlagen oder erschießen und ihre Treffen in rotlicht-nahen Clubs Berlins abhalten. Dazu ein überfordertes Team von drei Berliner Polizisten (Max Riemelt mit Ronald Zehrfeld und Carmen Birk), das der Russenmafia so halbwegs auf den Fersen ist, bei einem Einsatz schon mal die falsche Tür eintritt und sich nach der Arbeit zum Gruppensex trifft. Ein Highlight ist hier wiegesagt Max Riemelt alias Marek Gorsky, der mit seiner Schwester Stella (bezaubernd gespielt von Marie Bäumer) sogar Russisch spricht. Offenbar ist seine jüdische Filmfamilie aus einem slawischen Land nach Berlin immigriert. Gorsky weiß in der ersten Folge noch nicht, dass irgendeiner der muskulösen Russen mal seinen Bruder ermordet hat. Und dass der Mann seiner Schwester (überzeugend böse gucken kann als selbiger Misel Maticevic) mit denen im Bunde ist. Der Zuschauer weiß das schon, denn die blutige Szene wird mit blutrotem Filter alle paar Minuten rückeingeblendet.
Mutigsein als Selbstzweck des Filmemachens
Kühl und distanziert – so kennt man den im Mainstream weniger erfolgreichen, aber in Expertenkreisen stets hochgelobten Stil Dominik Grafs. Trotz seines neuen Wagemuts bleibt das Ergebnis der Krimireihe gleich: Auf der Berlinale umjubelt, preisgekrönt – im Fernsehen aber ein schlechter Sendeplatz und trostlose Quoten (zwischen 3 und 7 Prozent). Eigentlich ist es ja begrüßenswert, den guten alten, deutschen Abendkrimi ein bisschen aufzulockern. Man fühlt sich ja wohl, wenn alles klassisch abläuft und die Frage, wer der Täter ist, das einzig Unstrukturierte des Abendprogramms ist. Schon irgendwie langweilig, ja. Aber auch nicht ohne Grund so erfolgreich. Ein bis zwei von Grafs genannten stilistischen Griffen hätten daher der Spannung durchaus gedient, beispielsweise die fremdsprachlichen Dialoge. Doch so wird daraus Überforderung.
Und dabei hatte alles so gut angefangen, mit der ukrainischstämmigen Alina Levshin, die als junge Jelena in einem See auf dem Land schwimmt und mit charmantem Akzent auf Deutsch erzählt, dass alle Frauen in ihrer Familie den Mann ihres Lebens im oder ums Wasser herum kennengelernt haben. Dann der Sprung aus der unschuldigen ukrainischen Natur ins Berliner Polizistenleben, ein toller und erfrischender Kontrast, auf dem basierend die Geschichte hätte weiterlaufen können.
Aber Mutigsein, mehr „Schocks und Trivialitäten“ sind in diesem Fall zum Selbstzweck des Filmemachens geworden. Verständnisbefreit fühlt man sich am Ende wie das Versuchskaninchen in einem großen Experiment, dessen genaues Ziel fraglich bleibt. Wie hängt das alles zusammen? Was reden die da überhaupt? Wen soll das erreichen? Was ist die Botschaft? Vielleicht ist Dominik Graf der einzige, der es weiß. Obwohl auch er sich beim Dreh, der sehr unchronologisch ablief, manchmal gefragt hat „Wo sind wir jetzt nochmal genau im Film?“. Mit dieser Frage bleibt er nicht allein.