Buchstäbliche Rache

In Tom Fords zweitem Film „Nocturnal Animals“ schwinden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Der Grund: Ein Buch. Die späte Rache des Ex-Manns?

Produziert von George Clooney und Grant Heslov. Besetzt mit Schauspielgrößen Amy Adams und Jake Gyllenhaal. Inszeniert durch Regisseur Tom Ford. Die Literaturverfilmung (basierend auf Austin Wrights Roman „Tony & Susan“) feierte 2016 auf dem Internationalen Filmfestival in Venedig Premiere.

„Jaja, ist nur ein Schnitt vom Papier.“

Als Galeristin Susan Morrow (Amy Adams) ein Paket auspackt und sich schneidet, wird dem Zuschauer rückblickend schnell klar, dass diese Aussage als Prophezeiung zu werten ist. Susan hat sie sich nicht bloß buchstäblich am Papier des Buches geschnitten, das ihr gewidmet wurde. Das Buch wird sie noch auf eine ganz andere Weise ruinieren. Sie hat „Nocturnal Animals“ von ihrem Ex-Mann Edward Sheffield (Jake Gylenhaal) zugesandt bekommen.

Susan (Adams) erhält "Nocturnal Animals" / Credit: Merrick Morton/Focus Features

Susan (Adams) erhält „Nocturnal Animals“ / Credit: Merrick Morton/Focus Features

Mit dem Lesen des Romans taucht Susan in eine Geschichte ein, die auf verstörende Weise Parallelen zu ihrem eigenen Leben aufweist. Auf der Fahrt nach Marfa, Texas, werden Tony Hastings (ebenfalls Jake Gyllenhaal), seine Frau Laura (Isla Fisher – die alarmierende Ähnlichkeit zu Adams’ Charakter Susan sei hier nicht zu vernachlässigen) und deren Tochter India (Ellie Bamber) von einer Männergruppe überfallen. Durchgeknallt, sadistisch, irre. Tony wird nach einem Kampf von seiner Familie getrennt und inmitten der texanischen Wüste ausgesetzt. Gemeinsam mit Detective Bobby Andes (Michael Shannon) beginnt die Suche nach seiner Familie.

Immer dann, wenn sie das Lesen unterbricht -und da wären wir beim dritten Handlungsstrang-, muss Susan an ihre Beziehung mit Edward zurückdenken.

Verstörende Parallelen: Susan (Adams) liest "Nocturnal Animals" / Credit: Merrick Morton/Focus Features

Verstörende Parallelen: Susan (Adams) liest „Nocturnal Animals“ / Credit: Merrick Morton/Focus Features

Das Buch zwischen Realität und Fiktion

Das Buch ist dabei das Objekt, das alle drei Ebenen zusammenhält. Es ermöglicht den Sprung in die Vergangenheit. Es ist das Objekt, das am Ende des Tages aufzeigt, dass Edward entgegen Susans Vorwurf nicht der Schwache ist. Er hat an seinem Traum, zu schreiben, festgehalten. Er ist nicht gefangen in einem Leben, das ihn unglücklich macht. Und so scheint auch das Ende nicht verwunderlich. Susan verabredet sich mit Edward und wartet im Restaurant auf ihn. Vergebens. Er ist nicht mehr der Schwache.

Susan (Adams) wartet vergebens auf Edward (Gyllenhaal) / Credit: Merrick Morton/Focus Features

Susan (Adams) wartet vergebens auf Edward (Gyllenhaal) / Credit: Merrick Morton/Focus Features

Befremdlich und brutal zugleich, lässt sich auch in Fords zweiter Regierarbeit seine Berufung -seinesgleichen Modedesigner- nicht von der Hand weisen. Ford gestaltet einen eindrucksvoll künstlerisch gestalteten Film, der eine enorme Bildmacht aufweist. Und doch grenzenlos Raum für Interpretation lässt.

 

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